In genau zwei Wochen werde ich um diese Uhrzeit mit vielen anderen Studenten in der Cafeteria des Tenley Campus sitzen und auf die Ergebnisse der Auszählungen an der Ostküste warten (die Westküste schließt da gerade mal die Wahllokale. Danke an die Zeitverschiebung, wenn’s schlecht läuft muss ich noch bis in die frühen Morgenstunden aufbleiben, um zumindest die exitpolls aus California zu sehen). Dann ist es aber endlich so weit: die USA hat sich für einen neuen Präsidenten entschieden.
Wird so langsam auch mal Zeit, mag man denken. Und um ehrlich zu sein: meiner Meinung nach ist es allerhöchste Zeit. Mr. Bush kann so langsam anfangen seine Koffer zu packen. So viel Zeit ist nicht mehr, bis der neue Präsident vereidigt wird und Bush aus dem (in Wirklichkeit ziemlich kleinen) White House ausziehen muss.
Es wird höchste Zeit, scheint sich auch Oliver Stone gedacht zu haben. Er hat Bush die Ehre zu Teil kommen lassen, als erster US-Präsident noch während seiner Amtszeit ein Biopic (eine Filmbiografie) zu bekommen. Ob er sich darüber überhaupt gefreut hat sei mal dahin gestellt.
Letzte Woche lief der Film mit dem schlichten Title „W.“ in den US-Kinos an. Aber was ist er nun? Satire, Tragödie, Melodrama, Komödie? Von allem etwas. Er ist beißend satirisch, wenn Bush und seine Crew nach einem guten Namen für die rouge states Nord Korea, Iran und Syrien suchen („Axis of evil“ macht letztendlich das Rennen). Er ist unglaublich tragisch, wenn man mit ansieht, wie die Entscheidung für einen Krieg im Irak gefällt wird. Er ist melodramatisch (und auch ziemlich übertrieben), wenn Bush sich als wiedergeborener Christ entdeckt, dem Gott den Auftrag gegeben hat, Präsident zu werden. Das komödiantische Talent wird unter Beweis gestellt, wenn sich Bush mit seinem Beraterstab auf der Familienranch in Texas verirrt und in sengender Hitze durch die Gegend stapft.
Der Film ist keine Wiedergabe der Amtszeit des Präsidenten Bush. Er zeichnet den Weg von Bush, dem Fratboy, dem Säufer, dem Loser nach, der eher zufällig ins Weiße Haus kommt. Und damit lässt er die Dinge, die mich mehr interessieren, fast ganz aus oder berührt sie nur kurz.: die eigentliche Wahl 2000, die Wiederwahl 2004 und die nun anstehende Wahl 2008. So wird die Präsidentschaft nur auf das Thema Irakkrieg reduziert. In den Vordergrund tritt dafür der Daddy-Komplex, Bush sen. vs. Bush jr., der 41. gegen den 43. Präsidenten. Ziemlich ausführlich und vielleicht auch nicht ganz der Realität entsprechend wird die Beziehung von W. zu seinem Vater als ein ständiger Kampf um Anerkennung dargestellt.
Interessant ist der Film, wenn auch nicht ganz der Realität entsprechend. Es ist Fiktion, die auf realen Charakteren basiert. So sieht es zumindest die New York Times. Warum aber braucht man überhaupt einen Film über George W. Bush? Gute Frage! Vielleicht kann er als eine Art Spiegel dienen und den Amerikanern zeigen, wen sie zu ihrem Präsidenten gewählt haben (bei der Wiederwahl 2004 war die Mehrheit doch deutlich), damit sie dieses Mal besser über ihre Entscheidungen nachzudenken.
Für uns Europäer ist er einfach eine nette Unterhaltung, mit all den schönen Slapstickeinlagen, die uns das Weiße Haus in den letzten 8 Jahren so geliefert hat: vom „Pretzel-incident“ bis zu „Fool me once, shame on you. Fool me twice, shame .... ähhhh”. Bald ist es damit vorbei und das ist auch gut so.