In letzter Zeit hat sich eine Menge bewegt, was die Verteilung von digitalen Medien auf der Welt angeht. Leider ist aus meiner Sicht nichts wirklich besser geworden. Das Gemecker in den folgenden Absätzen ist übrigens eine Art Update, siehe auch meine mehr oder weniger optimistischen Texte von
2008,
2009 und
2010.
Anfang 2012 also: Pirate Bay, btjunkie und diverse andere Tracker sind tot oder in Schockstarre, manche angeblich völlig freiwillig oder aus privaten Gründen. Der “Markt” für Filehoster ist vorerst erledigt, nachdem das FBI mit voller Wucht den dicken Kim und seine Bande in Neuseeland
geschnappt hat. Streaming-Seiten hat es gleich mit erwischt, nicht zuletzt auch in Deutschland.
Dass anrüchige Geschäftemacher über den Jordan gehen, deren
business model quasi Hehlerei ist, kann ich verschmerzen.
Peer-to-peer hingegen finde ich schützenswert: Tauschen und Teilen sollte bestenfalls durch bequeme, preiswerte Angebote obsolet gemacht, nicht aber unverhältnismäßig kriminalisiert werden.
Wie sieht es auf Seiten der “Content-Industrie” aus? Digital Rights Management bei Musik ist zum Glück weiter auf dem Rückzug (oder komplett tot?), das war überfällig. Außerdem gibt es, so wie ich das sehe, einigermaßen Wettbewerb und sinkende Preise bei Kauf-Musik. Was Streaming angeht, sieht es weniger gut aus: In Deutschland klappt es quasi gar nicht (Simfy-Free-Kunden merken das an den immer verzweifelter klingenden E-Mails von “Anna”, dass man doch bitte abonnieren soll), anderswo ist es höchstens für die Majors halbwegs profitabel.
Dieses “Radio”-Modell von last.fm ist ja ganz nett, aber wo liegt da nochmal der Fortschritt gegenüber 1950? Technisch wäre es kein Problem, mir jeden Song der letzten 100 Jahre
on demand zu servieren, aber wir sind einfach zu blöd, das zu organisieren?
Bei Video sieht es noch schlimmer aus: In den Staaten funktionieren Netflix und Co. wohl ganz gut, aber hierzulande? Design und Usability sind schlimm, DRM weit verbreitet, das Angebot ein schlechter Witz, die Technik mies. Wenn ungefähr jeder Mensch zwischen 20 und 35 die gleichen fünf amerikanischen Serien gucken möchte,
wieso verdammt nochmal gibt es dann kein legales Angebot im Originalton und zeitgleich mit den USA? (Falls das jemand von HBO liest: Aber bitte, bitte nicht exklusiv via iTunes!)
So, nachdem ich jetzt über den Markt gemeckert habe, ist die Politik dran: Wie kann es sein, dass es wirklich überhaupt keine progressive Bewegung gibt in dieser ganzen Debatte um Urheberrechte, GEMA, Kulturflatrate, GEZ,
fair use und so weiter? Alles, was ich sehe, ist eklig-rückwärtsgewandter, bürgerfeindlicher Mist: PIPA, SOPA, ACTA, HADOPI, “three strikes”, my ass!
Wie kann es sein, dass der offensichtliche Widerspruch zwischen der Gesetzeslage und der gesellschaftlichen Praxis aller Menschen unter 40* den meisten Politikern egal ist oder gar nicht wahrgenommen wird?**
Soll ich jetzt wirklich darauf hoffen, dass unser Technik- und Urheberrechts-Experte KT zu G. in Brüssel alles richtet? Oder die Piratenpartei?
Oder doch die CSU?
* Ich weiß, das ist eine Übertreibung, muss aber auch mal sein.
** Okay, es wäre nicht das erste Mal...
1. Top Gear läuft auf BBC Two bzw. BBC HD. Ohne Satellit oder iPad gibt es aber keine Möglichkeit es in Deutschland zu gucken. Also muss ich den Weg durch die rechtliche Grauzone nehmen und per Proxy auf die Seite zugreifen.
2. Sat 1 hat gestern mal sowas von versagt beim Superbowl. Einfach mal Werbung anstatt eines Touchdowns gezeigt. Ab da hab ich lieber einen Stream von ESPN geguckt. Vermutlich auch wieder eine rechtliche Grauzone, da es kein offizieller war.