Freitag, 20 Uhr: Rund fünfzig Menschen warten vorm Eingang der
Lila Eule, durch die zweite Tür tragen ein paar Helfer Stühle ins Innere. Ungewöhnlich ist nicht nur die Uhrzeit, sondern auch das durchschnittliche Alter der Wartenden. Zwischen den ganzen grauhaarigen (oder mindestens -melierten) Damen und Herren fallen wir richtig auf.
Kurz nach acht sind wir drin und setzen uns in die Nähe des Kickertisches. Zu sehen ist vom Podium am anderen Ende des Raumes natürlich nichts, aber es geht auch mehr ums Zuhören. Eine Handvoll 68er berichtet von einem Bremen vor unserer Zeit, manchmal lesen sie aus
dem neuen Buch vor, manchmal beantworten sie mehr oder weniger spannende Fragen des Moderators.
Teilweise verschwimmen dabei die Grenzen zwischen Selbstironie, Selbstkritik und Zynismus. Wie der Untertitel des Buches nahelegt, wird heute Abend auch mit der eigenen Naivität abgerechnet. Auf der anderen Seite klingt eine Menge Stolz mit, Stolz auf die Dynamik einer Bewegung, die in Bremen damals (in Ermangelung einer Uni) von
Schülern getragen wurde.
Sieben Stunden haben wir insgesamt zugehört, über die Sprüche der Redner geschmunzelt und zu Kinks, Stones, Beach Boys usw. getanzt ...
Was bleibt? Aus meiner Perspektive kann ich sagen, dass die großen, bedingungslos akzeptierten Ideale, wie sie Ende der Sechziger auf fruchtbaren Boden fielen, heute nicht mehr die selbe Faszination ausüben. Trotz unserer Jugend stecken wir voller Zynismus und Pragmatismus, eigene Überzeugung werden grundsätzlich selbstironisch reflektiert und sind dann ungeeignet, andere anzustecken.
1968 und die spätere Entwicklung seiner Protagonisten liefern gute Argumente sowohl für Toleranz als auch für ständige Wachsamkeit, für die Bereitschaft zu Kritik an der eigenen Umgebung und an sich selbst. Leider ist das keine besonders nützliche Erkenntnis, denn sie liefert eher Widersprüche als klare Richtlinien. Sich mit den Irrtümern und klugen Ideen vergangener Tage zu beschäftigen, um die eigene Meinung zu aktuellen Themen besser fundieren zu können, scheint mir aber in jedem Fall vernünftig zu sein.