Andrew Sullivan ist Autor und Blogger, arbeitet für The Atlantic, ist
eine “faszinierende Persönlichkeit” und hat
einen Artikel über das Bloggen geschrieben.
Die dort veröffentlichten Thesen finde ich äußerst interessant, aber für die überwältigende Mehrheit der deutschen Blogger kaum zutreffend. Sullivan ist ein Mann, der sich als Blogger politisch äußert und völlig begeistert ist, dies ungefiltert und ohne redaktionelle Zwänge tun zu können.
Eben weil er - im Gegensatz zu Bloggern ohne journalistische Erfahrung - den Vergleich zum Geschäft mit bedrucktem Papier ziehen kann.
Gleichzeitig sagt er, dass die junge Generation die Freiheiten des Bloggens als selbstverständlich empfinden dürfte. Und so ist es auch, meiner Meinung nach: Eine endlose Reihe von
digital natives publiziert ohne Chefs vom Dienst oder Lektoren, schreibt ununterbrochen und in Echtzeit über Belangloses und Herzensangelegenheiten. Ganz selbstverständlich.
Während der Journalist und politische Blogger Sullivan nun mit einigem Pathos vom unmittelbaren Charakter des Bloggens schwärmt und den Drang beschreibt, seine innersten Gefühle und Geistesblitze ohne Rücksicht auf Verluste zu veröffentlichen, haben andere einen etwas weniger romantischen Blick auf die Szene.
Blogs sind ein Beispiel dafür, was Online-Journalismus nicht sein sollte, aber im Augenblick zu sein versucht.
Der hier öfters erwähnte Stefan Niggemeier hat kürzlich einen Vortrag gehalten und stellt das
Manuskript online zur Verfügung. In seiner Ansprache kritisierte er unter anderem, dass online elementare Regeln des Journalismus verletzt werden, nämlich das Gebot sorgfältiger Recherche und, ganz banal, das Gegenlesen von Texten.
“Die Verlage und Sender probieren im Internet gerade aus, ob es nicht auch mit weniger Journalismus geht.”
Unabhängig vom Medium, das einen Text trägt, müsse es in Zukunft wieder darum gehen, die Essenz des Journalismus an sich zu pflegen. Die Schnelligkeit des Internet darf also nicht zu Beliebigkeit verführen, genau wie die Geduld des Papiers keinen Anlass zu Behäbigkeit geben sollte.
Der springende Punkt ist, meines Erachtens: Viele Blogger wollen Journalisten sein und bemühen sich oft um einen Anschein der Professionalität, während Journalisten entweder bewusst die Freiheiten im Netz genießen oder aber mit dermaßen knappen Budgets haushalten müssen, dass einige Qualitätsstandards an Relevanz verlieren.
Kein Wunder, denn im Internet gelte andere Regeln als im Verlagswesen: Ein einzelner Blogger mit polarisierender Polemik oder minütlich aktualisierten Klatschmeldungen kann eine enorme Anziehungskraft entwickeln. Eine Gruppe von Bloggern kann einer riesigen Leserschaft als Quelle für Nachrichten oder Meinungen dienen. Das alles klappt ohne eigene Infrastruktur, ohne Hierarchien und ohne Gehaltsabrechnungen.
Die Antwort der Verlage kann langfristig nicht darin bestehen, online auf ein konkurrenzfähiges Angebot zu verzichten. Oder zur Sicherheit ein paar Alibi-Blogger anzuschaffen und auf Gedeih und Verderb weiterhin Kosten zu senken, um mit Papier Geld zu verdienen!
Ganz bestimmt sitzen irgendwo ein paar schlaue Köpfe und
wissen, dass es so nicht weitergeht. Oder?
PS. Sullivan sagt auch:
You can’t have blogger’s block.
(Blogger können keine Schreibblockade haben.)
Ich möchte, auch im Namen des Herrn Mit-Blogger, entschieden widersprechen.