Im Anschluss an die letzte Darbietung der szenischen Lesung
“Grund der Ausweisung: Lästiger Ausländer” (das Projekt, welches Mathis
hier bereits gelobt hatte) fand gestern Abend im Schwurgerichtssaal des Landgerichts Bremen eine Podiumsdiskussion zum Thema
Ausweisung - damals und heute statt. Moderiert wurde die Veranstaltung von
Prof. Feest von der Uni Bremen. Die weiteren Teilnehmer waren Prof. Matthias Stauch, der Präsident des Oberverwaltungsgerichts Bremen, Britta Ratsch-Menke vom Flüchtlingsrat Bremen, Christine Graebsch, Anwältin, sowie Eva Schöck-Quinteros, die Initiatorin des Projekts.
Gleich zu Beginn wurde die Frage aufgeworfen, die eigentlich das zentrale Thema der Diskussion darstellen sollte: Gibt es Gemeinsamkeiten in der Ausweisungspraxis in der Weimarer Republik und heute? Prof. Stauch vertrat die Position, dass sich keine Überschneidungen finden ließen, da heute der Rechtsweg gesichert sei, während vor 80 Jahren keinerlei rechtliche Möglichkeiten für die ausgewiesenen Ausländer vorgelegen hätten. Zudem entscheide heute natürlich nicht mehr die Exekutive über die Ausweisungsfälle. Frau Graebsch war anderer Meinung. Zwar würden die Migranten nicht mehr mit dem Etikett “lästig” aus Deutschland abgeschoben, aber es seien deutliche Parallelen erkennbar. So könne ein Ausländer ausgewiesen werden, wenn er die Interessen der BRD beeinträchtige. Dies könne, so die Anwältin, bereits der Fall sein, wenn ein Ausländer Sozialleistungen beziehe. Britta Ratsch-Menke schloss sich dieser Meinung an und warf die Frage auf, ob es sich bei einer Ausweisung nicht um eine doppelte Bestrafung handele. Mit einer Verurteilung für eine Straftat sei der Ausländer bereits bestraft und eine Ausweisung in ein Land, das ihm vielleicht sogar komplett fremd und in dem er nicht verwurzelt sei, würde ihn doppelt treffen.
Die Frage der doppelten Bestrafung dominierte nun die Diskussion bis zum Ende. Leider stellten sich die Positionen der Teilnehmer sehr schnell als festgefahren heraus. So vertrat Prof. Stauch die gültige Rechtsauffassung, dass die Ausweisung ein schlichter Verwaltungsakt sei und deshalb keine neuerliche Bestrafung. Frau Ratsch-Menke und Frau Graebsch waren anderer Meinung. Sie argumentierten eher emotional aus der Sicht ihrer täglichen Arbeit, die sie mit vielen Schicksalen in direkten Kontakt bringt. Sichtlich erschüttert angesichts der Hilflosigkeit der Menschen, die ausgewiesen werden sollen, meinten sie, dass das System der Ausweisung überdacht werden müsse. Die letzten Minuten vergingen in juristischen Spitzfindigkeiten, die der Runde schließlich den letzten Wind aus den Segeln nahmen. Die Frage blieb daher unbeantwortet im Raum:
Ist eine Ausweisung eine doppelte Bestrafung oder eine schlichte Verwaltungsmaßnahme?