Freitag Abend trat das Satiriker-/Kabarett-Duo Stermann & Grissemann im Festsaal Kreuzberg auf. Bekannt sind die beiden vor allem für eine Reihe von Sketchen, in denen sie in Volksempfänger-Stimmlage Nazi-Witze machen, z.B. über Cordoba, Kochen oder, siehe oben, Call-TV.
Da heißt es dann: “Wir müssen diese Nuss rommeln”, “Jawohl, mein Rührer!” oder “Wollt ihr das totale Sieb?”. Letzteres ist auch der Titel der DVD zum Live-Programm, die Ästhetik der Plakate erinnert (zumindest mich) an Frau Riefenstahl.
Live nehmen die Nazi-Witze allerdings nur einen kleinen Teil des Programms ein. Zumindest vorgestern bestand die erste Hälfte des Auftritts aus einem Prolog, in dem S. & G. in andere Rollen schlüpften und ihre Hauptfiguren für später “ankündigten”, um dann öfters aus den Rollen zu fallen und sich zum Schein über die Qualität ihres Spiels zu streiten. Der Großteil des Publikums fand das super, man könnte es auch als etwas langatmig bezeichnen.
Spannend wurde es nach der Pause. Die Stars betraten die Bühne in ihren von Youtube bekannten “Altnazi”-Outfits. Einer strich sich den Seitenscheitel zurecht, der andere spuckte sich auf den eigenen (bereits bekleckerten) Pullunder -- ich weiß nicht, warum. Dann rief im Publikum jemand “Sieg H...”. Wegen des scheinbaren Erbrechens von G. war lautes Gelächter im Saal, niemand hörte genau hin. Der Mann im Publikum wiederholte seinen Ruf.
Diesmal hatten es alle gehört.
Als Grissemann nun sagte, er habe keine Lust mehr zu spielen, dachte ich erst, das ist gerechtfertigte Empörung. Der Zwischenrufer, dem Aussehen nach kein Rechtsextremer, werde sich für seinen geschmacklosen Ruf entschuldigen, die Show dann weitergehen. Auch Kabarettist S. sah das so und wollte seinen Kompagnon überreden. Der aber blieb stur und ließ die Requisiten abräumen.
Es folgten noch 20 Minuten Lesung aus dem aktuellen Buch der beiden, dann gab es Applaus, dann explizit keine Zugabe und der Auftritt ging unter unbehaglichem Schweigen zu Ende (“Und jetzt gehen Sie im Gänsemarsch nach vorn und kaufen!”). Auf Nachfrage sagte G. noch auf der Bühne, das Zwischenrufer-“Schwein” möge “verrecken”, solch Verhalten sei unentschuldbar. Das Publikum allgemein sei aber total nett.
Ehrlich gesagt bin ich immer noch ratlos, was für einen Schluss ich aus diesem Abend ziehen möchte. Man kann Grissemanns Reaktion konsequent nennen. Oder übertrieben und heuchlerisch angesichts einer Show, die sowieso auf Geschmacklosigkeiten und Provokation setzt. Ich habe mich sofort gefragt, wie wohl Serdar Somuncu reagiert hätte: Vermutlich irgendwie souveräner. Er ist, ehrlich gesagt, auch lustiger.
Nachtrag: “Drei Nazi-Witze und ein Zwischenruf” wäre eigentlich die viel schönere Überschrift gewesen. Verflucht!